Vom Lieferanten zum Konkurrenten – Die Zukunft des exklusiven Einzelhandels

Es wäre zu einfach, den Grund für die zunehmenden Schließungen von Facheinzelhändlern alleine beim Boom des Onlinehandels zu suchen. Natürlich ist die rückläufige Frequenz in den Innenstadtlagen eine der Ursachen für nachlassende Umsätze und immer schwieriger werdende wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Exklusive Boutiquen und Einzelhändler leiden aber außerdem unter einem viel bedeutenderen Umstand, der rasanten Zunahme so genannter Monobrand-Stores.

Einige Zahlen unterstreichen dies eindrücklich. So betreibt die weltweit führende Luxusmarke Louis Vuitton allein 478 eigene Läden. Auch Christian Dior mit 198 und Montblanc mit 360 Shops treiben ihre Vertriebsstrategien in diese Richtung weiter voran. Darunter zu leiden haben in erster Linie die ehemals besten Vertriebspartner dieser Häuser. Es gab Zeiten, da kämpften die Edelmarken nämlich um jeden Konzessionär.

Die auf Beratung und Kundendienst fokussierten Fachgeschäfte haben viele Marken erst zu dem gemacht, was sie heute sind. Und zum Dank eröffnen genau diese direkt nebenan ein eigenes Geschäft oder entziehen die Konzession, weil dieser nicht mehr in der Lage ist, die steigenden Anforderungen an Warenbevorratung, Ausbildung und Qualifizierung zu erfüllen.Hinzukommt, dass Unternehmen wie zum Beispiel die Swatch Gruppe mit ihren eigenen Multibrand Stores wie Tourbillon und Hour Passion, in denen die verschiedenen Marken der Gruppe angeboten werden, in direkte Konkurrenz zu etablierten Juwelieren treten. Welche Auswirkungen dies auf die Entwicklung des Einzelhandels haben wird, hat die Unternehmensberatung Morgan Stanley jüngst untersucht. Während aktuell noch 88 % der Luxusuhren durch Juweliere verkauft werden zeigt die Studie, dass bereits in zehn Jahren dieser Anteil auf 45 % sinken wird. Neben der Verlagerung des Geschäftes zu den Markenboutiquen trägt die wachsende Bedeutung der Direktverkäufe über eigene Onlineshops maßgeblich zu dieser Entwicklung bei. Unter dem Strich bedeutet dies, dass die Juweliere die Hälfte ihrer Umsätze mit Luxusuhren verlieren werden. In letzter Konsequenz wird dies zu weiteren Ladenschliessungen führen. Aber auch an Filialisten wie Wempe und Bucherer geht diese Entwicklung nicht spurlos vorüber. So betreibt Wempe bereits heute Monomarken Shops von Rolex und Patek Philippe. Und dies sicherlich nicht ganz freiwillig. Für die Luxusmarken ist dies ein durchaus lohnendes Geschäftsmodell. Einerseits bedeutet dies eine deutliche Erhöhung der Margen und andererseits eine vollständige Kontrolle des Vertriebskanals. Aber was bedeutet diese Entwicklung für den exklusiven Einzelhandel? Die Lösungen können in der Spezialisierung, der Konzentration auf Nischen und die Erhöhung der Kundenbindung liegen. Wenn der Handel mehr und mehr seiner Luxusmarken verlieren wird, müssen sich die Kaufleute anderweitig orientieren und über verstärkte Marketingaktivitäten, wie zum Beispiel Live Kommunikation, ihre besondere Beratungs- und Servicequalität unter Beweis stellen.

Erfolgsstrategien

Auch für Hersteller exklusiver Vorprodukte der Luxusgüterindustrie ändern sich die Marktbedingungen seit einigen Jahren dramatisch. Nicht nur der immer härtere Kampf um hochwertige Rohstoffe und steigende Komplexität globaler Logistikketten machen diesen Unternehmen zu schaffen, auch die zunehmende vertikale Integration bei den großen Luxusgüterkonzernen wie LVMH und Kering hinterlassen ihre Spuren. Wie das „Über“-Leben in der Nische auch bei kleineren Unternehmen dennoch gelingen kann, verriet uns Walter Kreis. Ein wahres Urgestein der internationalen Lederbranche. Als Geschäftsführer der letzten deutschen Gerberei für exotische Leder erlebt er die Veränderungen hautnah.

Zu seinen Kunden gehören neben fast allen namhaften Maßschuhmachern und Armbandherstellern auch große Modelabels und Luxusmarken. Seit dem aber Großabnehmer verstärkt in eigene Gerbereien – ja sogar in Alligatorfarmen – in Übersee investieren, sinkt deren Nachfrage rapide. Dennoch können auch diese Unternehmen nicht gänzlich auf die Lederhäute von Kreis verzichten. Er macht möglich, was die mittlerweile fest in Konzernstrukturen integrierten Gerbereien nicht mehr leisten können.

Die Maxime für ihn lautet deshalb: „hohe Flexibilität“. Die Fähigkeit Kleinstmengen in fast jeder erdenklichen Farbe innerhalb kürzester Fristen liefern zu können, ist ein unschlagbarer Wettbewerbsvorteil. Seine Fertigung hat er genau auf diese Alleinstellungsmerkmale hin getrimmt. Sowohl für die Musterkollektionen großer Luxusmarken, als auch die wachsende „Bespoke“-Gemeinschaft ein essentieller Entscheidungsfaktor. Regelmäßig verlassen so Pakete per Express die Gerberei in Richtung Frankreich und Italien.

Eine große Zukunftschance für seine Manufaktur sieht Kreis zudem in der steigenden Sensibilität der Endkunden für hohe Umweltstandards und die Hautverträglichkeit der Produkte. Als einzige Gerberei, wird Majunke in Kürze in der Lage sein, auch alle exotischen Leder vegetabil, d.h. ohne Zugabe hochgiftiger Stoffe auf Chrom-Basis, nach strengsten Deutschen Umweltstandards zu gerben.

Wer sich als pfiffiger Unternehmer die Stärken und Schwächen der großen Marktteilnehmer vor Augen führt, ist immer wieder in der Lage Nischen zu finden, das Angebot darauf hin zu schärfen und die Prozesse entsprechend zu optimieren.

Das Wesen von Luxusmarken

Schließen Sie für einen Moment die Augen und denken an…. Porsche. Was geschieht jetzt gerade bei Ihnen? Sehen Sie die Silhouette eines 911er vor Ihren Augen, hören Sie den röhrenden Sound der Auspuffanlage? Und jetzt denken Sie an Tchibo. Was passiert jetzt? Riechen Sie frisch gebrühten Kaffee oder schlendern Sie gerade durch den Tchibo-Shop und schauen sich die „jede Woche eine neue Welt“ Artikel an? Dieses kleine Beispiel macht den Unterschied zwischen konsequenter Markenführung und der Suche nach Orientierung deutlich. Gerade deshalb ist die Markentreue zu Porsche wesentlich stabiler als zu Tchibo.

Marken sind wie Lebewesen. Sie brauchen Fürsorge, Pflege, Zuwendung aber auch klare Regeln und Grenzen. Nur so können sie sich entwickeln und prächtig gedeihen. Marken schaffen Identität, geben Halt und Vertrauen. Marken erzeugen Bilder in den Köpfen und Emotionen in den Herzen. Für Luxusmarken gilt dies umso mehr.

Neben einer klaren Markenführung differenzieren sich Luxusmarken aber noch in vielen weiteren Punkten von „Mass-Market-Brands“.

Luxusmarken sind faktisch & emotional überlegen

Sie sind immer auf der Suche nach dem Besten. Wie bei einer Weltmeisterschaft streiten Luxusmarken um den Sieg. Sie wollen sich nicht mit dem zweiten Platz begnügen, sondern versuchen alles, um an die Spitze zu gelangen. Dies betrifft nicht nur die großen und vollen beachteten Marken. Es geht um Spitzenleistungen auch in einzelnen Segmenten oder Nischen. Kennen Sie beispielsweise Transrotor? Die kleine deutsche Marke, die mit ihren analogen Plattenspielern an der Weltspitze steht.

Mit ihrer faktischen Überlegenheit schaffen Luxusmarken gleichzeitig eine emotionale Verbindung. Sie machen stolz und fördern das Prestige ihrer Besitzer. Dieser Bindung geht aber in den meisten Fällen eine rational nachvollziehbare Spitzenleistung voraus. Wenn es sich nicht gerade Konsum aus Neid handelt.

Luxusmarken sind selten & knapp

Luxusmarken definieren sich über ihre Exklusivität. Kleine Produktionsmengen, limitierte Editionen, eine selektive Distribution und exquisite Materialien machen ihre Produkte nur wenigen Personen zugänglich. Nicht selten müssen interessierte Kunden sich für einen Kauf bewerben. Dies gilt insbesondere für Erzeugnisse, die nur in ganz kleinen Stückzahlen gefertigt werden. Diese Verknappung fördert die Begehrlichkeit und trägt nachhaltig zur Steigerung des Markenwertes bei.

Luxusmarken sind kompromisslos

Die zweitbeste Lösung ist nicht gut genug. Die beste machbare Lösung muss gefunden werden. Dem Druck einer raschen Markteinführung dabei zu widerstehen, ist allerdings unabdingbar. Dies gelingt nicht immer. Wie häufig werden selbst von den Top Luxusmarken nur halbfertige Neuheiten präsentiert. Besonders zu bestaunen auf den weltweit führenden Schmuck- und Uhrenmessen SIHH und BaselWorld. Alles in der Hoffnung, damit ihre faktische Überlegenheit gegenüber der Konkurrenz unter Beweis zu stellen. Dumm nur, wenn die technische Finalisierung dann noch Jahre auf sich warten lässt.

Fakes sind tabu. In der Aston Martin Manufaktur in Gaydon/GB wird dies sehr anschaulich demonstriert. Selbst nicht sichtbare Lederverkleidungen werden aus dem gleichen edlen Naturmaterial gefertigt wie die sichtbaren Teile. Und was echt anmutet, muss auch echt sein. Der Kunde erwartet das Optimum.

Luxusmarken sind persönlich und individuell

Die Kundenansprache, -betreuung und –pflege sind von sehr persönlicher Natur. Luxusmarken binden ihre Käufer ein und lassen sie Teil haben. Sie gewähren Einblicke, die nur Interessenten erhalten. Die unpersönliche Massenansprache ist verpönt. Der Kunde möchte geschmeichelt und individuell behandelt werden.

Luxusmarken sind authentisch

Ehrlichkeit ist oberste Priorität. Versprochen wird nur was gehalten werden kann und kommuniziert wird nur was auch den Tatsachen entspricht. Das sind Luxusmarken-anbieter ihren Konsumenten schuldig. Einmal verlorenes Vertrauen, ist kaum noch zu reparieren. Offenheit hilft bei der Überprüfbarkeit von Informationen. Immer mehr Unternehmen präsentieren sich und ihre Arbeit deshalb in sogenannten „gläsernen Manufakturen“. Dies schafft Vertrauen und fördert die Bindung an eine Marke.

Luxusmarken sind wertvoll, begehrlich und grenzen aus

Die Entwicklungszeit eines neuen mechanischen Uhrwerkes mit vielen Komplikationen beträgt nicht selten einige Jahre. Mehrere Uhrmacher und Ingenieure arbeiten parallel an der Konstruktion. Die einzelnen Komponenten werden in kleinsten Stückzahlen von Hand gefertigt. Dieser Aufwand, die geringen Stückzahlen und die Einzigartigkeit der Erzeugnisse machen Luxusmarken wertvoll und begehrlich. So erreichen sie nur Wenige und grenzen damit bewusst aus.

Kleinere und mittlere Luxusgüterunternehmen stoßen bei der Umsetzung dieser Faktoren häufig an ihre Grenzen. Strategien müssen erarbeitet, interne und externe Partner hinzugezogen und die finanziellen Rahmenbedingungen definiert werden. Gerne unterstützen wir Sie bei Ihren Anstrengungen.

Mastige Strategien – Experteninterview

Ein Interview mit Wolfgang Stelling, Inhaber der L’Art de Vivre Unternehmensberatung

1. Wie würden Sie Luxus definieren?

Konsum von Waren und Dienstleistungen, der das normal übliche Maß deutlich übersteigt und somit eigentlich völlig überflüssig ist. Die Porsche AG hat vor vielen Jahren in einem Film für ihre Aktionäre einmal die provokante Frage gestellt: „Wofür braucht man eigentlich einen Porsche?“ und sinngemäß ergänzt, es gäbe doch wesentlich effizientere Automobile, um von A nach B zu gelangen. Luxus ist sehr individuell und betrifft alle Bevölkerungsschichten. Für einen Harz IV Empfänger definiert sich Luxus anders als für einen Millionär.

2. In wie weit hat in den letzten Jahren ein Wandel über die Auffassung von Luxus Ihrer Meinung nach stattgefunden?

Luxus ist heutzutage wesentlich allgegenwärtiger als noch vor vielen Jahren. Beigetragen dazu haben m. E. die allgemeine Medienentwicklung, d. h. Fernsehen, Internet, Social Media und außerdem der insgesamt steigende Wohlstand. Somit wird Luxus heutzutage deutlicher wahrgenommen weil er präsenter ist. Das ändert aber nichts an der leibvollen Neiddebatte, die wir in Deutschland leider immer noch führen. Das beste Beispiel ist die aktuelle Diskussion über Managergehälter. Insofern würde ich mir wünschen, dass wir uns ein Wenig von den Amerikanern abschauen. Dort wird Erfolg, und somit auch die Möglichkeit Luxus zu genießen, bewundert und nicht geneidet. Deswegen kann ich hierzulande keine wirkliche Veränderung feststellen. Fakt ist jedenfalls, dass sich mehr Menschen häufiger einmal etwas „luxuriöses“ gönnen wollen und können.

3. Wie würden Sie die Entwicklung und Trends der letzten Jahre im Bereich New-Luxury
und Old-Luxury bewerten?

Die Problematik des New-Luxury besteht in der Tatsache, dass sie keine Tradition besitzt. Also über viele Jahrzehnte entwickelten Werte. Unternehmen und Marken, die sich im neuen Luxus bewegen, müssen also durch andere Dinge überzeugen. Ein gutes Bespiel ist sicherlich die Handy-Marke VERTU. Veraltete Technologie aber ein außergewöhnlich hohes und exklusives Serviceniveau. Die Gefahr neuerer Luxusmarken sehe ich in erster Linie in der Nachhaltigkeit. Viele Marken kommen und gehen. Und das betrifft auch den neuen Luxus. Bei den alten Luxusmarken stehen wir vor einem gewaltigen Konzentrationsprozess. Kering (vormals PPR) und LVMH streiten heftig über die Vormachtstellung im Luxussegment. Traditionsreiche Unternehmen werden reihenweise von einem dieser beiden Konzerne übernommen. Und ein Ende ist nicht absehbar. Aus wirtschaftlichen Gründen werden sich die verschiedenen Marken, die innerhalb eines Konzerns geführt werden, über kurz oder lang immer ähnlicher. Dies können wir u. a. auch bei der SWATCH Group beobachten. Dort wird die Verwendung gleicher Bauteile für die unterschiedlichen Luxusuhrenmarken sehr stark vorangetrieben. Am Ende steht dann nur noch die visuelle Differenzierung.

4. Luxus ist mittlerweile allgegenwärtig und es wird schwer eine klare Definition des Begriffes herauszufiltern. Gerade in den beiden letzten Jahrzehnten fand ein gezielter, immer stärker werdender Wandel in den Strategien von Premium- und Luxusmarken statt, trading-up von Premiummarken, sowie auf der anderen Seite trading‐down von Luxusmarken um die Mittelschicht wie HENRY’s zu erreichen. Wo sehen Sie Chancen und Gefahren im Masstige-Marketing für Luxusfirmen?

Es ist der Verlust der Identität und damit eines der wichtigsten Markenwerte. Es kann der Anfang vom Ende sein und die Vernichtung von Werten. Betrachtet man sich bei einzelnen Unternehmen die über Jahre kumulierten Investitionen in die Marke so wissen wir über welche finanziellen Folgen wir sprechen. Und die immateriellen Schäden sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Ich kann zwar verstehen, dass Luxusfirmen aus wirtschaftlichen Zwängen heraus neue Käuferschichten ansprechen müssen, aber dies sollte m. E. nicht über eine trading-down Strategie erfolgen. Das Resultat wäre nämlich, dass auch die eigentliche Kernkäuferschaft sich von der Marke abwendet. Ein Spagat, der nicht funktioniert.

5. Worin liegt der Kern eines Luxusunternehmens eine Masstige-Strategie erfolgreich
zu fahren?

Nennen Sie mir doch mal ein Beispiel wo dies erfolgreich praktiziert wurde? Ich kenne jedenfalls keines. Um den vorher genannten Gefahren zu entgehen hat sich für Luxusunternehmen die Lizensierung als erfolgreiche Methode herauskristallisiert. D. h. neue Märkte und Segmente können bedient werden, ohne dass die Kernmarke Schaden nimmt. Pseudoluxus wird so für breite Schichten erschwinglich. Gute Beispiele gibt es in der Kosmetikbranche und bei Sonnenbrillen. Wir beraten viele Unternehmen, die nämlich genau vor der von Ihnen beschriebenen Problematik stehen. Wirkliche Luxusmarken kennen nur einen Standard. Nämlich einen extrem hohen. Würde man als Unternehmen günstigere Produkte anbieten so hätte dies zur Folge, dass man entweder in neue und günstigere Produktionsverfahren investieren oder mit geringeren Deckungsbeiträgen leben müsste.

6. Gibt es Ihrer Meinung nach ein Erfolgsrezept um die Balance zwischen Masstige und Exklusivität zu halten?

Wie bereits gesagt. Eine gute Methode ist die Vergabe von Markenlizenzen. Natürlich liegen auch hierin Gefahren, aber mit einem guten Management kann so sehr erfolgreich expandiert werden. Ein anderer Weg ist die Einführung von Subbrands wie z. B. HUGO von Boss oder Emporio Armani oder auch CK by Calvin Klein. Die Differenzierung ist hier die Herausforderung.

7. Was verbinden Sie persönlich mit Montblanc?/ Was kommt Ihnen in den Sinn,
wenn Sie an Montblanc denken?

Exklusive und hochwertige Schreibgeräte, die in Deutschland hergestellt werden.

8. Wie beurteilen Sie das Angebot von Montblanc bezüglich Preis- und Produktspanne?

Um hier wirklich eine fundierte Aussage machen zu können, müsste ich mich zunächst intensiv mit dem Sortiment auseinandersetzen.

9. Wie sehen Sie die Vielfalt der verschiedenen Distributionswege (Boutiquen, Online, Wholesale, Juweliere), welche Montblanc nutzt, würden Sie dies als Chance beurteilen oder sind Sie der Meinung, dass die Risiken überwiegen?

Beides hat vor und Nachteile. Die Nachteile einer breit aufgestellten Distribution sind der Verlust von Kontrolle und Exklusivität. Andererseits wird die Marke hierdurch natürlich für viel mehr Konsumenten erlebbar und zugänglich. Es gibt Unternehmen, die eine erfolgreiche Abkehr von der Mass-Distribution geschafft haben und heutzutage ihr Geschäft wesentlich erfolgreicher über Monobrandstores führen. B&O ist so ein Fall. Aber auch bei Hugo Boss geht die Entwicklung in diese Richtung. Auch die Swatch Group investiert verstärkt in eigene Markenboutiquen z. B. mit ihrer Marke OMEGA. Luxusmarken benötigten eine stringente Kommunikation. Und das betrifft auch das Verkaufspersonal. Es ist doch selbstverständlich, dass sich ein Verkäufer in einem Monobrandstore anders mit der Marke identifiziert und diese verkörpert als ein Verkäufer in einem Multibrandstore. Das beginnt bei der Kenntnis über die Marke und endet bei dem fehlenden Wissen über Materialien und Herstellungsmethoden.

10. Sehen Sie Potenzial für Montblanc bezüglich einer Masstige‐Strategie? Wenn ja, was würden Sie dem Brand raten bei der Umsetzung einer solchen Strategie.

Das kann man so nicht einfach beantworten. Dazu müsste ich mehr Einblick in das Unternehmen haben. Ganz grundsätzlich lässt sich aber raten, nichts überstürzt zu machen und das Für und Wider sehr wohl abzuwägen. Potenzial gibt es aber sicherlich. Die Frage ist jedoch, könnte die Marke über eine andere als eine Masstige-Strategie mehr Potenzial erschließen.

Quo Vadis Deutsche Manufakturen?

Wiesmann, Meissen, Caviar Creator, Loewe, Strenesse. Die Liste der in die Insolvenz gegangenen oder in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen deutschen Manufakturen und Luxusgüterunternehmen ließe sich wohl beliebig fortführen. Doch wie ist es um die Manufakturen und Luxusgüterhersteller in diesem Land wirklich bestellt? Spiegeln diese Insolvenzen und wirtschaftlichen Situationen der Unternehmen die Realität richtig wider? Diesen Fragen wollen wir in diesem Beitrag nachgehen.

Jein müsste die Antwort wohl lauten. Einerseits sind ganze Branchen betroffen anderseits gibt es aber auch deutsche Unternehmen, die geradezu als Leuchttürme bezeichnet werden dürfen. Dabei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass einige Unternehmen nicht dort stehen würden wo sie stehen, wenn sich nicht international operierende Konzerne engagiert hätten. A. Lange & Söhne (Richemont), Glashütte Original (Swatch Group), BOSS (Marzotto/Permira) und Montblanc (Richemont) sind nur einige Beispiele. Auch die Marke Porsche Design verfügt erst seit der Integration in den Porsche Konzern über die notwendigen finanziellen und strukturellen Ressourcen, die für eine erfolgreiche Expansion erforderlich sind.

Ganze Branchen betroffen.

Besonders problematisch scheint die Situation in der Porzellan-, der Automobil- und Modeindustrie zu sein. Mit Gumpert, Wiesmann und Yes sind gleich drei vielversprechende Manufakturprojekte zunächst gescheitert. Bei Wiesmann zeichnet sich zwar eine Wende zum Besseren an, bei anderen liegen die Turn-Around Anstrengung jedoch auf Eis.

Aber woran liegt dies? Automobilexperte Ferdinand Dudenhöfer bringt es auf den Punkt: „Kleinserienherstellung ist grundsätzlich ein sehr schweres Geschäft. Die Hersteller müssen all das tun, was auch die großen Konzerne machen. Sie müssen die Entwicklung finanzieren, die Autos herstellen, für einen Vertrieb und für Werbung sorgen. Nur eben mit deutlich geringerem Budget.“ Und dies gilt eben nicht nur für die ambitionierten Automobilprojekte sondern für das Manufakturwesen insgesamt. Aber auch große Automobilkonzerne können mit ihren „Manufakturprojekten“ scheitern. Maybach und Phaenton sind Exempel dafür.

Deutsche Luxusmodemarke leiden zudem an dem aus internationaler Perspektive fehlenden Sexappeal. Deutsche Marken stehen für Qualität, Präzision und technische Exzellenz, aber eben nicht für Emotionen, Glamour und Chic. Daran scheiterte nicht zuletzt auch das Münchener Label Rena Lange und sorgte bei Strenesse und Jil Sander für erhebliche Turbulenzen. Die Markenrechte an Rena Lange liegen mittlerweile bei der s. Oliver Group.

Den deutschen Modemarken fehlt es zudem oft an der finanziellen Ausstattung, um im Konzert der großen internationalen Marken mitspielen zu können. Um dauerhaft erfolgreich zu sein, wären Investitionen in eigene Stores dringend nötig. Ohne eigene Läden läuft bei Modeunternehmen wenig. „Es gibt keine große Marke, die es über Multibrand-Stores zu globalem Erfolg gebracht hat“, weiß Sabine Meister von der gleichnamigen M&A-Beratung aus München. Denn in den Mehrmarken-Läden sind die Labels nur eines von vielen und können daher nur bedingt in Szene setzen. Und die Situation wird sich in den kommenden Jahren kaum verbessern. Die Mieten an den Hot-Spots in München, Berlin und Düsseldorf kennen nur eine Richtung. Nach oben. Dadurch werden die Toplagen für die deutschen Unternehmen immer unerschwinglicher und internationale Konzerne wie LVMH oder Kering können sich mit ihren Marken weiter ausbreiten.

Die Porzellanindustrie steht dabei vor noch viel gravierenderen Problemen. Sinkende Nachfrage, steigende Importe aus Fernost und abnehmende Markentreue. Rosenthal und Meissen sind da nur zwei Beispiele. Neue Lösungen und Wege sind daher dringender denn je gefragt. Dass dies aber auch gehörig schief gehen kann, hat die staatliche Porzellanmanufaktur Meissen bewiesen. Mit ambitionierten Plänen wollten die Verantwortlichen mit Meissen Couture die Marke aus der Nische Porzellan zu einer internationalen Lifestylemarke entwickeln. Mit Möbeln, Schmuck und weiteren Segmenten sollte die Marke verjüngt und einen größeren Kundenkreis ansprechen. Dies misslang allerdings und so mussten nicht nur Führungskräfte ihre Stühle räumen, auch der Eigentümer der Freistaat Sachsen kommt in Erklärungsnot. Jetzt werden die Schrauben erst einmal zurückgedreht und man besinnt sich wieder auf den Kern der Marke.

Es gibt dennoch Hoffnung

Wenn es um Technik, Handwerkskunst und Ingenieursarbeit geht können deutsche Manufakturen und Luxusmarken punkten. Ein Blick auf das Ranking der 30 erfolgreichsten Luxusmarken (ermittelt von Biesalski & Company, brand networks und der Wirtschaftswoche) macht dies deutlich. Auf den ersten beiden Plätzen liegen die sächsischen Uhrenmanufakturen A. Lange und Söhne sowie Glashütte Original. Sie haben sich – auch dank des finanziellen Engagements ihrer Mutterkonzerne – auf ihren Markenkern, auf die technische Exzellenz und ihre Traditionen konzentriert. Zudem verbleibt, aufgrund ihrer hohen Fertigungstiefe, die Wertschöpfung in den Unternehmen. Dies wiederum versetzt sie Marken in die Lage, ihre Expansion auch finanzieren zu können. Mit Burmester und Porsche folgen weitere technikgetriebene Marken.

Möbelmarken können neben ihrer technischen Überlegenheit auch durch ihre Designkompetenz und Innovationskraft überzeugen. Mit Bulthaup, Gaggenau, Dedon, Schramm, Poggenpohl, Thonet, Walter Knoll, Cor und Interlübke finden sich gleich neun Möbelmarken unter den Top 30.

Der Schlüssel zum Erfolg

Die Schlussfolgerungen aus dem Status Quo und den Perspektiven sind klar. Deutsche Manufakturen und Luxusmarken profilieren sich in erster Linie über ihre überlegene Technik, Qualität und das Design. Erfolgreiche Marken konzentrieren sich auf ihren Kern und ihre Kompetenz. Eine solide finanzielle Ausstattung der Unternehmen versetzt sie in die Lage, Expansionen voranzutreiben und damit nachhaltig ihre Zukunft zu sichern. Fehlt es allerdings an nur einer dieser Zutaten müssen sich die betreffenden Unternehmen Sorgen um ihre Zukunft machen.

Für das Hauptproblem, die finanzielle Ausstattung, gibt es mittlerweile sehr interessante Modelle. In Zeiten schwacher Renditen bei den traditionellen Anlageformen suchen finanzstarke Investoren nach neuen Möglichkeiten, ihr Vermögen zu vermehren. Eine Möglichkeit stellen stille Beteiligungen dar. Dabei wird über eine Minderheitsbeteiligung Wachstumskapital zur Verfügung gestellt, über das die Unternehmen üblicherweise nicht verfügen würden bzw. sie sich dieses auch nur sehr schwierig/teuer beschaffen könnten.

Als Beratungsunternehmen für die Luxusgüterindustrie und das Manufakturwesen unterstützen wir nicht nur bei der Entwicklung zukunftsorientierter Unternehmens- und Marketingstrategie sondern helfen auch beim Finden geeigneter Investoren. Sprechen Sie uns an.

Die Wahrnehmung deutscher Luxusmarken

Ein Interview geführt von Frau Laura Lipke im Rahmen ihrer Masterarbeit „Wahrnehmung deutscher Luxusmarken im internationalen Vergleich“ an der Munich Business School

1. Wie würden Sie die historische Entwicklung von Luxus in Deutschland beschreiben?

Luxus war in Deutschland früher ausschließlich der Aristokratie vorbehalten. Die Kluft zwischen Arm und Reich war wesentlich größer als heute. Heutzutage erschließt sich Luxus einem wesentlich größeren Teil der Bevölkerung. Immerhin sprechen wir von etwa 12 Mio. der deutschen Bevölkerung, die als luxusaffin zu bezeichnen wären. Außerdem definiert sich für einen Teil der Gesellschaft Luxus heutzutage nicht mehr allein über materielle Güter. Zeit ist eines der wichtigsten Luxusgüter, die es gibt. Historisch betrachtet hat die Wahrnehmung und Entwicklung von Luxus in Deutschland sicherlich durch die Ereignisse der beiden Weltkriege im letzten Jahrhundert gelitten. Insbesondere während des 3. Reiches war die Zur-Schau-Stellung von Reichtum keine gute Idee. D. h. die Entwicklung traditioneller Luxusmarken erlitt während dieser Zeit und in der Folge einen erheblichen Rückschlag. Erst nach der Wiedervereinigung konnten sich ehemals sehr angesehene Unternehmen und Marken auf Ihre Historie besinnen. Die besten Beispiele kommen aus den östlichen Bundesländern mit Marken/Unternehmen wie Meissner Porzellan, A. Lange & Söhne oder Glashütte Original.

2. Wie würden Sie die Einstellung der Deutschen gegenüber Luxusprodukten beschreiben? Hat ein Wandel in den Köpfen der Konsumenten stattgefunden?

Deutsche lieben den Luxus genauso wie andere Nationalitäten. Deutsche haben dennoch ein gespaltenes Verhältnis zum Luxus. Obwohl wir auch hierzulande langsam einen Sinneswandel beobachten, herrscht der Neidfaktor doch immer noch vor. Luxusgüter als Ausdruck des individuellen Erfolges sind verpönt. Ich bemühe hier immer gerne der Vergleich zwischen Deutschland und Amerika, wo im Gegensatz zu den Gepflogenheiten hierzulande, Luxusgüter Ausdruck des Erfolges sind und nicht der Neid vorherrscht sondern eher ein Bestreben, dies auch zu erreichen.

3. Wo sehen Sie Unterschiede zwischen deutschen, französischen und chinesischen Luxuskonsumenten?

Auf eine einfache Formel gebracht: Deutschland = bescheiden, Frankreich = traditionell, China = neu. Franzosen leben in einer jahrhundertealten Tradition, die durch die Königshäuser und den Adel geprägt wurden. Wohl in kaum einem anderen Land wurde Luxus so zelebriert wie in Frankreich und dieses sehr langsam entwickelte Verhältnis zu edlen Produkten hat sich bis heute bei einer breiten Bevölkerungsschicht etabliert. Nicht um sonst geben Franzosen für gutes Essen und Trinken mehr aus als für Miete. Deutsche hingegen verstecken gerne was sie besitzen oder investieren lieber im Ausland, wo es nicht so auffällt. Der private Immobilienbesitzt deutscher Wohlhabender im Ausland wird derzeit wohl von keiner anderen Nation übertroffen. Chinesen dagegen müssen erst noch den Umgang mit

Luxus lernen, d. h. in erster Linie zu differenzieren. Unser Eindruck ist, dass sich die Bevölkerung dort oft von den schönen Namen blenden lässt und relativ undifferenziert konsumiert. Hier zählt die Marke mehr als Statussymbol denn als Wunsch, etwas Außergewöhnliches zu besitzen. Der „Show“-Effekt bestimmt den Konsum. Richtig ist aber, dass in keinem anderen Land der Welt der Reichtum und die Zahl der Wohlhabenden so schnell wachsen wie in China. Und dies will auch gezeigt werden.

4. Welche Meinung haben Sie zu der Aussage, die deutsche Luxusgüterindustrie sei weniger professionalisiert als die französische Luxusgüterindustrie?

Das stimmt sicherlich nicht so pauschal. Es gibt durchaus gute Beispiele dafür, dass auch deutsche Luxusgüterunternehmen sehr professionell geführt werden. Porsche ist hier sicher das Paradebeispiel oder auch Montblanc. Aber es natürlich auch richtig, dass einige Unternehmen noch Potenzial besitzen. Oft liegt es an der Unternehmensführung bzw. an den Traditionen, die in manchen Unternehmen gepflegt werden.

5. Welche Stärken und Schwächen besitzen deutsche Luxusfirmen Ihrer Meinung nach?

Technisches Know-How, Erfindergeist, das Streben nach Vollkommenheit und Perfektion sind wohl die größten Stärken der hiesigen Luxusgüteranbieter. Schwächen sehe ich insbesondere in den Bereichen Kreativität, Emotionalität, Management Know-How, Größe und in der Kapitalausstattung. Auch dies gilt nicht pauschal, kann aber sicherlich für eine Vielzahl der Unternehmen so gesehen werden. Viele deutsche Luxusfirmen kommen aus einer handwerklich geprägten Tradition. Handwerk und Marketing gehen in vielen Unternehmen heute noch nicht Hand in Hand. Nehmen Sie das Beispiel Facebook. Bei unseren Recherchen haben wir erstaunt festgestellt, wie viele der besagten Unternehmen noch keine eigene Fanpage betreiben. Hier sind die Franzosen als vorbildlich zu bezeichnen und sie scheuen auch nicht die offene Kommunikation mit ihren Kunden.

6. Welche Meinung haben Sie zu der Aussage, deutsche Luxusunternehmen besäßen vergleichsweise wenig Markenbekanntheit unter Konsumenten?

Von einigen Ausnahmen abgesehen, muss dem leider zugestimmt werden. Die Ursachen hierfür habe ich bereits vorher beschrieben. Ein großes Plus auf der internationalen Bühne ist aber sicherlich das „Made in Germany“ oder besser gesagt das „Handmade in Germany“. Was ehemals als Makel für deutsche Produkte gedacht war, hat sich über die Jahrzehnte zu einem echten Qualitätssiegel entwickelt. Deutsche Produkte gelten wegen ihrer überlegenen Technik und Qualität international aber eben nicht als „sexy“ im Sinne von emotional. Erstaunlich auch wie wenige Deutsche die wahre Herkunft mancher deutscher Luxusmarke kennen, wie z. B. Montblanc, die eher als französische Marke gesehen wird.

7. Deutsche Luxusmarken sind vor allem internationalen Konsumenten im Vergleich zu französischen und italienischen Luxusmarken oftmals weniger bekannt. Zudem besteht oft Unkenntnis über die deutsche Herkunft. Worin liegen die Ursachen hierfür? Was können und sollten deutsche Luxusfirmen dagegen unternehmen?

M. E. haben viele deutsche Unternehmen die Notwendigkeit zur Internationalisierung zu spät erkannt oder es fehlten schlicht die Ressourcen. Auch heute international begehrte Marken wie A. Lange & Söhne oder Glashütte Original wären nicht dort wo sie sind, wenn sie nicht zu international agierenden Luxusgüterkonzernen wie Richemont bzw. der Swatch-Gruppe gehören würden. Andere dagegen haben sehr früh erkannt, dass Niederlassungen in den wichtigsten internationalen Märkten die Entwicklung sehr positiv beeinflussen können. Dennoch, die Entwicklung von Markenbekanntheit und –begehrlichkeit haben etwas mit der Präsenz vor Ort und der Nähe zum Kunden zu tun. Der Vertrieb von Luxusgütern hat weniger mit lautem Marketinggeklapper zu tun, als vielmehr mit einer sehr direkten und persönlichen Kundenbeziehung. Und diese lässt sich nun einmal nur dort entwickeln, wo die Kunden auch sind. Deutschen Luxusgüterherstellern kann ich deshalb nur zur Entwicklung kreativer Strategien für eine zügige Internationalisierung raten. Wenn die Mittel des einzelnen Unternehmens nicht ausreichen, dann sollten die Verantwortlichen wenigstens nicht zu stolz für Kooperationen mit Gleichgesinnten sein. Und wo Management- oder Marketing Know-How fehlt, sich ruhig auch einmal fachkundig beraten zu lassen.

8. Wo sehen Sie Potenzial für deutsche Luxusunternehmen in den kommenden Jahren, welche Chancen sehen Sie für deutsche Luxusmarken in Deutschland selbst, in etablierten Luxusmärkten wie Frankreich und in neuen Märkten wie China?

Deutschland gilt weithin als sehr weit entwickelter und gesättigter Markt. Dennoch besitzen deutsche Luxusmarken auch hierzulande noch erhebliches Wachstumspotenzial. Wir stellen in den letzten Jahren verstärkt den Trend zu so genannten „Mono-Brand-Stores“ fest. Diese sind für die Marken ideale Plattformen ihre Marke zu präsentieren und zu inszenieren. Das steigert die Markenkenntnis und die Begehrlichkeit. Und so können auch deutsche Marken einerseits von dem steigenden Wohlstand profitieren und anderseits auch internationalen Marken das Leben etwas schwerer machen. In Frankreich beispielsweise (und dies gilt auch für Italien) haben die „local-heros“ den Markt fest in der Hand. Dies liegt einerseits an dem ausgeprägten Patriotismus und andererseits an den Traditionen. Erfolgreiche deutsche Luxusmarken bestechen international nach wie vor durch ihre technische Überlegenheit. Dennoch beweisen auch Marken wie Talbot & Runhof, dass auch kreative und emotionale Produkte ein internationales Publikum erreichen können. Luxusmarken ist eines gemein, sie alle streben nach dem Besten. Es ist wie bei einer Weltmeisterschaft. Der Beste wird in der Gunst des Konsumenten ganz vorne liegen. Und das kann manchmal auch Kreativität bedeutet und nicht nur technische Perfektion. Also: Mehr Mut zu kreativen Lösungen und die Menschen im Bauch und Herz erreichen und nicht nur im Kopf. In China dagegen ist es so, dass dort ein enormer Nachholbedarf nach edlen und originalen Produkten besteht. Unabhängig davon, über welche Kriterien sich die einzelnen Marken definieren, sie müssen nur Glaubwürdig sein und dies auch kommunizieren. Aufgrund der Größe des Landes und des Potenzials sollten die Strategien hier sehr selektiv angelegt sein.

9. Welche Umstände waren ausschlaggebend für die Gründung der Seite „Deutsche Luxusmarken“ in diesem Jahr? Was erhoffen Sie sich für Ihre Seite und Kooperationspartner in den kommenden Jahren?

Wir haben festgestellt, dass es unterschiedliche Organisationen und Interessensverbände gibt, die teilweise miteinander konkurrieren oder in ihrem Profil nicht klar genug bzw. zu eng angelegt sind. Daraus folgt, dass es in Wahrheit keine übergeordnete Institution gibt, die die Entwicklung deutscher Luxusmarken unterstützt bzw. sich für deren positive Entwicklung stark macht. Diese Lücke wollen wir

mit unserem Engagement schließen und das Label „Deutsche Luxusmarken“ als Dachmarke für die hiesigen Luxusgüteranbieter etablieren. Für unsere Kooperationspartner erhoffen wir uns eine stärkere
Wahrnehmung bei potenziellen Konsumenten sowie eine stärkere Identifikation der Marken mit dem Standort Deutschland. Wie bereits gesagt, viele wissen nicht um die Herkunft einzelner Marken.

10. Welche Maßnahmen (Marketing, Vertrieb, Design etc.) sollten deutsche Luxusunternehmen konkret ergreifen, um sich sowohl auf dem Heimatmarkt als auch in Potenzialmärkten künftig erfolgreicher durchzusetzen? Welche Empfehlungen geben Sie dazu deutschen Luxusunternehmen aus Marketingsicht?

Marketing für Luxusgüter ist ein sehr sensibles Thema. Unternehmen müssen die Konsumentensicht mehr in den Vordergrund rücken und sich weniger im Schein ihres Könnens sonnen. Die Nähe zu potenziellen Kunden ist entscheidend und die individuelle Ansprache und der Aufbau von direkten und intensiven Kundenbeziehungen. Versetzen wir uns doch einmal in die Lage eines Kunden, der über ein erhebliches Vermögen verfügt und sein eigenes Konsumverhalten hat. D. h. was, wie, wo und warum konsumiert er gerade diese oder jene Marke? Es kommt eben nicht nur auf die Markenbekanntheit an, sondern auch auf die Markenreputation, ihre Glaubwürdigkeit und das Image. Und nicht zuletzt auch auf die Nähe. Ansonsten lassen sich über das Thema ganze Bücher oder Masterarbeiten schreiben. Gerne beraten wir Unternehmen, die für sich nach Lösungsansätzen suchen.

Maßschuhe – Exklusivinterview mit Matthias Vickermann

Jung, dynamisch, groß gewachsen, gut aussehend und gekleidet im Maßanzug. So kommt er daher, als wir ihn zu einem Gespräch in seinen Räumlichkeiten in Baden-Baden treffen. Matthias Vickermann entspricht so gar nicht dem Bild, das einem landläufig bei einem Schuhmacher in den Sinn kommt. Er verkörpert die neue Generation eines traditionellen Handwerks. Vorbei die Zeiten, in denen Maßschuhe eher prothetischen Charakter hatten. Eleganz, Hochwertigkeit und feinste Materialien sind die verbindenden Elemente aller Produkte, die die Werkstatt der beiden Protagonisten Matthias Vickermann und Martin Stoya verlassen.

Herr Vickermann, was zeichnet Ihre Schuhe aus?

Erstens, dass man sie nicht erkennt. Bei uns gibt es kein Logo oder roten Streifen auf der Sohle. Es gibt nichts, an dem Sie einen Schuh von uns erkennen könnten. Wir setzen auf Understatement. Zweitens. Reinste Orthopädie in Kombination mit traditionellem Schuhhandwerk. Sie bekommen bei uns einen top-modernen knallroten Krokoschuh aber gleichzeitig die orthopädische Versorgung, die der Fuß braucht. Drittens. Individualität. Jeder Schuh ist ein Unikat. Und Viertens die Langlebigkeit. Bei richtiger Pflege und regelmäßigen Reparaturen halten unsere Schuhe durchaus zwanzig oder fünfundzwanzig Jahre.

Und wie entsteht so ein Maßschuh bei Ihnen?

Nachdem wir die Füße des Kunden vermessen haben wird ein Abbild des Fußes aus Holz von Hand gefertigt, der sogenannte Leisten. Mit diesem Leisten als Grundlage fertigen wir dann einen schlichten schwarzen Probeschuh mit einem weichen Innenfutter. Nach etwa sechs Wochen erhält der Kunde zusammen mit diesem Schuhpaar eine detaillierte Gebrauchsanleitung. Nachdem er ihn dann zwei Wochen getragen und uns zurückgeschickt hat, schneiden wir die Schuhe auf und begutachten das „Laufbild“. Erst dann fangen wir mit dem endgültigen Maßschuh an. Natürlich kann es vorkommen, dass ein Kunde mit dem Probeschuh einmal nicht zurecht kommt. Dann wiederholen wir diese Prozedur eben.

Bleiben Sie während dieser Zeit mit dem Kunden im Kontakt?

Selbstverständlich müssen wir erfahren, ob er mit dem Probeschuh zurecht kommt oder wo der berühmte Schuh „drückt“. Das machen wir sowohl telefonisch als auch per E-Mail. Manchmal senden uns Kunden auch Bilder, um zu zeigen, wo etwas verändert werden sollte. Für uns ist die Kundennähe ganz besonders wichtig. Mein Partner Herr Stoya und ich kennen jeden Kunden. Und das soll auch so bleiben.

Wie lange dauert es bis der Kunde sich dann endlich über das ersehnte Paar Maßschuhe freuen kann?

Auf das erste Paar müssen Kunden im Schnitt etwa vier Monate warten. Bei Nachbestellung geht es dann natürlich schneller. In Einzelfällen schaffen wir es auch einmal in drei Monaten. Aber schneller geht es wirklich nicht. Selbst wenn uns Kunden den dreifachen Preis anbieten würden. Es geht nicht.

Woher kommen Ihre Kunden?

Als wir vor acht Jahren begonnen haben ging es uns immer darum, Standort unabhängig zu sein. Und so haben wir gerade zu Beginn starke Präsenz in Städten wie Hamburg oder Berlin gezeigt. Häufig bei Veranstaltung von Kooperationspartnern wie Bentley und Vertu. Das waren dann schon einmal knapp vierzig Events pro Jahr. Mittlerweile haben wir das aber zurückgefahren und machen jetzt nur noch acht bis zehn jährlich. Darunter auch unsere zweimal jährlich stattfindenden Aktionen auf der MS Europa. Aber dieser Einsatz hat sich gelohnt. Unsere Kunden kommen von überall her. Nur etwa sieben Prozent aus der Baden-Badener Umgebung. Und Neukunden gewinnen wir in erster Linie durch Empfehlungen und Mund-zu-Mund Propaganda. Da bringen Kunden dann schon mal ihre Freunde mit zu Veranstaltungen. Und so können wir uns über unsere Auftragslage nicht beklagen.

Reparieren Sie auch Schuhe?

Ja. Das ist für uns ein ganz wichtiger Service. Wenn man über Wochen an einem Paar Schuhe gearbeitet hat, möchte man natürlich nicht, dass sie in falsche Hände kommen. Damit die Reparatur bei uns keine unnötige Hürde darstellt haben wir die Preise für diesen Service bewusst günstig gestaltet. Wir möchten vermeiden, dass Kunden aufgrund der Reparaturpreise die Schuhe zu einem x-beliebigen Reparaturservice bringen, der dann häufig nicht weiß, was er da in Händen hält.

Lassen Sie uns noch kurz über das Thema Online-Handel sprechen. Welche Bedeutung hat dieser Kanal für Ihr Geschäft?

Merchandise-Artikel bilden heute den Schwerpunkt. Was man künftig sicherlich überlegen könnte ist – wenn der Kunde einmal vermessen ist – eine Art Konfigurator einzurichten. Aber in Wahrheit sehe ich das nicht. Ein Maßschuh ist ein so traditionelles Produkt, wir stellen ihn extrem traditionell her. Wir vermessen von Hand. Wir haben nichts Digitales in dem Bereich, außer den Kundendaten natürlich. Und dann mit einem Konfigurator wie bei einem Auto sich einen Schuh zusammenzustellen, ich weiß nicht. Ich glaube, das käme auch optisch nie so schön rüber, die Struktur und die Beschaffenheit des Leders kann man nicht oder noch nicht so schön darstellen.

In anderen Bereichen werden schon Maßprodukte online angeboten. Hemden, Anzüge usw.  Natürlich ist es dort auch problematisch die Stoffqualität und die Haptik zu vermitteln. Aber was ist die eigentliche Problematik?

Das ist genau der Punkt. Bei vielen Produkten kann ich zwar versuchen die Optik darzustellen oder die Akustik, obwohl das auch schon schwierig ist, aber gerade bei uns spielt die Sensorik eine entscheidende Rolle. Der Geruch, die Haptik, das kann man einfach nicht online darstellen. Und außerdem bleibt die Frage, will ich mich mit anderen vergleichen. Da sag ich doch lieber, das machen wir nicht so. Und der Kunde muss entscheiden, ob er ein Produkt schnell online bestellen will. Und online bestellt heißt oftmals, dass die Ware im Ausland gefertigt ist und auf Menge ausgelegt ist. Und da sehen wir uns eben nicht.

Viele Luxusmarken haben aber heute bereits einen Online-Shop. Wie sehen Sie das?

Es gehört einfach dazu. Alle großen Luxusgüteranbieter haben heute in irgendeiner Art und Weise ein Onlineangebot und das wird sich auch immer weiter verstärken. Die sind natürlich 24 Stunden geöffnet und weltweit und in vielen Sprachen verfügbar. Aber A sind wir nicht in der Größenordnung, um dies leisten zu können, und B wollen wir da gar nicht hin. Der Unterschied ist. Mittags sitzen wir alle gemeinsam am Tisch und essen zusammen. Und das reflektiert irgendwie auch das Thema, das wir vorgeben. Wenn wir das nicht mehr machen könnten und wir mittags durcharbeiten müssten, dann ist etwas falsch gelaufen. Wir haben die Bücher voll, aber nicht zu jedem Preis.

Der Kunde, der sich für Ihr Produkt entscheidet, ist durchaus bereit länger auf seine Bestellung zu warten. Da steht die Begehrlichkeit über der sofortigen Verfügbarkeit. Ihre Schuhe liegen ja nicht irgendwo herum und warten auf Käufer.

Das ist absolut richtig. Ein Großteil unserer Kunden ist es gewohnt mit dem Vorsatz in ein Geschäft zu gehen, jetzt will ich konsumieren. Ich hab immer die Möglichkeit zu kaufen. Ich bekomme immer alles sofort. Häufig ist es eben nur eine Frage des Geldes. Und das gibt es bei uns eben nicht.

Abschließend noch die Frage, wo die Reise für Ihr Unternehmen hingeht?

Mit einigen Hundert Paar Maßschuhen im Jahr sind wir so ziemlich an der Grenze. Das Wachstum ist also begrenzt. Für uns ist es wichtiger, dass bei einem Tischgespräch über Maßschuhe unser Name fällt. Und deshalb verstärken wir unsere Presseanstrengungen deutlich.

Herr Vickermann, ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche Ihnen viel Erfolg.

www.vickermannundstoya.de

Foto Copyright: Vigal Fichtner. Vlnr: Matthias Vickermann, Martin Stoya

Privat ins All

Wenn Kinder gefragt werden was sie später einmal werden möchten, lautet die Antwort nicht selten Astronaut. Aus nachvollziehbaren Gründen werden es dann aber die wenigsten tatsächlich.

Seit im Jahr 2004 Sir Richard Branson zusammen mit Burt Rutan das Unternehmen Virgin Galactic gegründet hat ist die Chance, irgendwann einmal ins All zu gelangen, jedoch deutlich gestiegen. Und wer meint, schon alles zu haben oder zu kennen und den ultimativen Kick sucht, für den bietet sich seit 2013 eine neue Möglichkeit, seine Kindheitsträume zu verwirklichen.

Branson, Multimilliardär und Gründer des Virgin Imperiums, gibt offen zu, dass er mit Virgin Galactic einen seiner Kindheitsträume realisiert; einmal Schwerlosigkeit erleben. Gepaart mit seinem Gespür für Fortschritt und Geschäft schafft der Visionär, was viele vor nur einem Jahrzehnt für völlig unmöglich gehalten haben: Die touristische Erschließung des Weltraums.

Viele Wohlhabende erfüllen sich einen Traum.

Die Zahlen schwanken. Zwischen 400 und 500 mehr oder minder bekannte und wohlhabende Persönlichkeiten stehen mittlerweile auf der Passagierliste für die ersten Flüge. Bei maximal sechs Passagieren kann es allerdings eine Weile dauern, bis die Liste „abgearbeitet“ ist. Für die 37 jährige deutsche Sonja Rhode ist dies aber kein Problem. Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude. „Es wird sicherlich ein großartiges Gefühl sein, an Bord zu gehen und mir vorzustellen, hier drin mit vierfacher Schallgeschwindigkeit in den Weltraum geschossen zu werden“. Wie Sonja Rhode mögen wohl viele der bisherigen Ticketbesitzer denken. Unter ihnen so bekannte Personen wie Brat Pitt, Rubens Barrichello oder Angelina Jolie und Paris Hilton. Aber auch weniger bekannte Namen finden sich unter den Alltouristen. Wie beispielsweise der Geschäftsführer von General Electrics oder der Inhaber einer Werbeagentur. Etwas mehr als achtzig Personen sind namentlich bekannt. Darunter natürlich auch die Gründer und Entwickler. Aber ansonsten herrscht Ruhe, wenn es um die Passagiere geht. Diskretion wird groß geschrieben. Bekannt oder nicht bekannt, sie alle haben wenigstens 10 % des Ticketpreises von 200.000 US-Dollar bereits gezahlt und die meisten dürften nicht so viel Glück gehabt wie der amerikanische Freiticketgewinner Doug Ramsburg.

Was lange währt wird endlich gut. Dies denken sich sicherlich auch die Protagonisten des Projektes. Ursprünglich geplant waren die ersten Flüge bereits für das Jahr 2007. Wann der Premierenflug endgültig standen wird, kann heute keiner genau sagen. Noch läuft das Testprogramm auf Hochtouren und die Sicherheit der Passagiere hat oberste Priorität. Möglicherweise kann auch die neue Zielsetzung nicht gehalten werden. Wenn es denn aber soweit ist erwartet die Allreisenden ein Erlebnis der besonderen Art.

Das SpaceShip Two soll mit dem Trägerflugzeug WhiteKnigthTwo auf eine Höhe von etwa 15 km gebracht und dann ausgeklinkt werden. Nach einem einige Sekunden dauernden Freiflug zünden dann die Raketentriebwerke des SpaceShipTwo und katapultiert die Fluggäste mit einer Geschwindigkeit von 4.200 km/h auf eine Höhe von etwa 100 km. Nach dem Abschalten der Triebwerke steigt das Fluggerät im ruhigen Gleitflug weiter auf eine Höhe von etwa 110 Kilometer bevor der Sinkflug beginnt. Für ca. 5 Minuten genießen die Reisenden den Zustand der Schwerelosigkeit und erleben, was nur wenigen Menschen je vergönnt sein wird. Wie bei einem Segelflugzeug gleitet SpaceShipTwo dann in 50 Minuten zurück zu Mutter Erde.

Bild: Virgin Galactic