Ein Interview geführt von Frau Laura Lipke im Rahmen ihrer Masterarbeit „Wahrnehmung deutscher Luxusmarken im internationalen Vergleich“ an der Munich Business School
1. Wie würden Sie die historische Entwicklung von Luxus in Deutschland beschreiben?
Luxus war in Deutschland früher ausschließlich der Aristokratie vorbehalten. Die Kluft zwischen Arm und Reich war wesentlich größer als heute. Heutzutage erschließt sich Luxus einem wesentlich größeren Teil der Bevölkerung. Immerhin sprechen wir von etwa 12 Mio. der deutschen Bevölkerung, die als luxusaffin zu bezeichnen wären. Außerdem definiert sich für einen Teil der Gesellschaft Luxus heutzutage nicht mehr allein über materielle Güter. Zeit ist eines der wichtigsten Luxusgüter, die es gibt. Historisch betrachtet hat die Wahrnehmung und Entwicklung von Luxus in Deutschland sicherlich durch die Ereignisse der beiden Weltkriege im letzten Jahrhundert gelitten. Insbesondere während des 3. Reiches war die Zur-Schau-Stellung von Reichtum keine gute Idee. D. h. die Entwicklung traditioneller Luxusmarken erlitt während dieser Zeit und in der Folge einen erheblichen Rückschlag. Erst nach der Wiedervereinigung konnten sich ehemals sehr angesehene Unternehmen und Marken auf Ihre Historie besinnen. Die besten Beispiele kommen aus den östlichen Bundesländern mit Marken/Unternehmen wie Meissner Porzellan, A. Lange & Söhne oder Glashütte Original.
2. Wie würden Sie die Einstellung der Deutschen gegenüber Luxusprodukten beschreiben? Hat ein Wandel in den Köpfen der Konsumenten stattgefunden?
Deutsche lieben den Luxus genauso wie andere Nationalitäten. Deutsche haben dennoch ein gespaltenes Verhältnis zum Luxus. Obwohl wir auch hierzulande langsam einen Sinneswandel beobachten, herrscht der Neidfaktor doch immer noch vor. Luxusgüter als Ausdruck des individuellen Erfolges sind verpönt. Ich bemühe hier immer gerne der Vergleich zwischen Deutschland und Amerika, wo im Gegensatz zu den Gepflogenheiten hierzulande, Luxusgüter Ausdruck des Erfolges sind und nicht der Neid vorherrscht sondern eher ein Bestreben, dies auch zu erreichen.
3. Wo sehen Sie Unterschiede zwischen deutschen, französischen und chinesischen Luxuskonsumenten?
Auf eine einfache Formel gebracht: Deutschland = bescheiden, Frankreich = traditionell, China = neu. Franzosen leben in einer jahrhundertealten Tradition, die durch die Königshäuser und den Adel geprägt wurden. Wohl in kaum einem anderen Land wurde Luxus so zelebriert wie in Frankreich und dieses sehr langsam entwickelte Verhältnis zu edlen Produkten hat sich bis heute bei einer breiten Bevölkerungsschicht etabliert. Nicht um sonst geben Franzosen für gutes Essen und Trinken mehr aus als für Miete. Deutsche hingegen verstecken gerne was sie besitzen oder investieren lieber im Ausland, wo es nicht so auffällt. Der private Immobilienbesitzt deutscher Wohlhabender im Ausland wird derzeit wohl von keiner anderen Nation übertroffen. Chinesen dagegen müssen erst noch den Umgang mit
Luxus lernen, d. h. in erster Linie zu differenzieren. Unser Eindruck ist, dass sich die Bevölkerung dort oft von den schönen Namen blenden lässt und relativ undifferenziert konsumiert. Hier zählt die Marke mehr als Statussymbol denn als Wunsch, etwas Außergewöhnliches zu besitzen. Der „Show“-Effekt bestimmt den Konsum. Richtig ist aber, dass in keinem anderen Land der Welt der Reichtum und die Zahl der Wohlhabenden so schnell wachsen wie in China. Und dies will auch gezeigt werden.
4. Welche Meinung haben Sie zu der Aussage, die deutsche Luxusgüterindustrie sei weniger professionalisiert als die französische Luxusgüterindustrie?
Das stimmt sicherlich nicht so pauschal. Es gibt durchaus gute Beispiele dafür, dass auch deutsche Luxusgüterunternehmen sehr professionell geführt werden. Porsche ist hier sicher das Paradebeispiel oder auch Montblanc. Aber es natürlich auch richtig, dass einige Unternehmen noch Potenzial besitzen. Oft liegt es an der Unternehmensführung bzw. an den Traditionen, die in manchen Unternehmen gepflegt werden.
5. Welche Stärken und Schwächen besitzen deutsche Luxusfirmen Ihrer Meinung nach?
Technisches Know-How, Erfindergeist, das Streben nach Vollkommenheit und Perfektion sind wohl die größten Stärken der hiesigen Luxusgüteranbieter. Schwächen sehe ich insbesondere in den Bereichen Kreativität, Emotionalität, Management Know-How, Größe und in der Kapitalausstattung. Auch dies gilt nicht pauschal, kann aber sicherlich für eine Vielzahl der Unternehmen so gesehen werden. Viele deutsche Luxusfirmen kommen aus einer handwerklich geprägten Tradition. Handwerk und Marketing gehen in vielen Unternehmen heute noch nicht Hand in Hand. Nehmen Sie das Beispiel Facebook. Bei unseren Recherchen haben wir erstaunt festgestellt, wie viele der besagten Unternehmen noch keine eigene Fanpage betreiben. Hier sind die Franzosen als vorbildlich zu bezeichnen und sie scheuen auch nicht die offene Kommunikation mit ihren Kunden.
6. Welche Meinung haben Sie zu der Aussage, deutsche Luxusunternehmen besäßen vergleichsweise wenig Markenbekanntheit unter Konsumenten?
Von einigen Ausnahmen abgesehen, muss dem leider zugestimmt werden. Die Ursachen hierfür habe ich bereits vorher beschrieben. Ein großes Plus auf der internationalen Bühne ist aber sicherlich das „Made in Germany“ oder besser gesagt das „Handmade in Germany“. Was ehemals als Makel für deutsche Produkte gedacht war, hat sich über die Jahrzehnte zu einem echten Qualitätssiegel entwickelt. Deutsche Produkte gelten wegen ihrer überlegenen Technik und Qualität international aber eben nicht als „sexy“ im Sinne von emotional. Erstaunlich auch wie wenige Deutsche die wahre Herkunft mancher deutscher Luxusmarke kennen, wie z. B. Montblanc, die eher als französische Marke gesehen wird.
7. Deutsche Luxusmarken sind vor allem internationalen Konsumenten im Vergleich zu französischen und italienischen Luxusmarken oftmals weniger bekannt. Zudem besteht oft Unkenntnis über die deutsche Herkunft. Worin liegen die Ursachen hierfür? Was können und sollten deutsche Luxusfirmen dagegen unternehmen?
M. E. haben viele deutsche Unternehmen die Notwendigkeit zur Internationalisierung zu spät erkannt oder es fehlten schlicht die Ressourcen. Auch heute international begehrte Marken wie A. Lange & Söhne oder Glashütte Original wären nicht dort wo sie sind, wenn sie nicht zu international agierenden Luxusgüterkonzernen wie Richemont bzw. der Swatch-Gruppe gehören würden. Andere dagegen haben sehr früh erkannt, dass Niederlassungen in den wichtigsten internationalen Märkten die Entwicklung sehr positiv beeinflussen können. Dennoch, die Entwicklung von Markenbekanntheit und –begehrlichkeit haben etwas mit der Präsenz vor Ort und der Nähe zum Kunden zu tun. Der Vertrieb von Luxusgütern hat weniger mit lautem Marketinggeklapper zu tun, als vielmehr mit einer sehr direkten und persönlichen Kundenbeziehung. Und diese lässt sich nun einmal nur dort entwickeln, wo die Kunden auch sind. Deutschen Luxusgüterherstellern kann ich deshalb nur zur Entwicklung kreativer Strategien für eine zügige Internationalisierung raten. Wenn die Mittel des einzelnen Unternehmens nicht ausreichen, dann sollten die Verantwortlichen wenigstens nicht zu stolz für Kooperationen mit Gleichgesinnten sein. Und wo Management- oder Marketing Know-How fehlt, sich ruhig auch einmal fachkundig beraten zu lassen.
8. Wo sehen Sie Potenzial für deutsche Luxusunternehmen in den kommenden Jahren, welche Chancen sehen Sie für deutsche Luxusmarken in Deutschland selbst, in etablierten Luxusmärkten wie Frankreich und in neuen Märkten wie China?
Deutschland gilt weithin als sehr weit entwickelter und gesättigter Markt. Dennoch besitzen deutsche Luxusmarken auch hierzulande noch erhebliches Wachstumspotenzial. Wir stellen in den letzten Jahren verstärkt den Trend zu so genannten „Mono-Brand-Stores“ fest. Diese sind für die Marken ideale Plattformen ihre Marke zu präsentieren und zu inszenieren. Das steigert die Markenkenntnis und die Begehrlichkeit. Und so können auch deutsche Marken einerseits von dem steigenden Wohlstand profitieren und anderseits auch internationalen Marken das Leben etwas schwerer machen. In Frankreich beispielsweise (und dies gilt auch für Italien) haben die „local-heros“ den Markt fest in der Hand. Dies liegt einerseits an dem ausgeprägten Patriotismus und andererseits an den Traditionen. Erfolgreiche deutsche Luxusmarken bestechen international nach wie vor durch ihre technische Überlegenheit. Dennoch beweisen auch Marken wie Talbot & Runhof, dass auch kreative und emotionale Produkte ein internationales Publikum erreichen können. Luxusmarken ist eines gemein, sie alle streben nach dem Besten. Es ist wie bei einer Weltmeisterschaft. Der Beste wird in der Gunst des Konsumenten ganz vorne liegen. Und das kann manchmal auch Kreativität bedeutet und nicht nur technische Perfektion. Also: Mehr Mut zu kreativen Lösungen und die Menschen im Bauch und Herz erreichen und nicht nur im Kopf. In China dagegen ist es so, dass dort ein enormer Nachholbedarf nach edlen und originalen Produkten besteht. Unabhängig davon, über welche Kriterien sich die einzelnen Marken definieren, sie müssen nur Glaubwürdig sein und dies auch kommunizieren. Aufgrund der Größe des Landes und des Potenzials sollten die Strategien hier sehr selektiv angelegt sein.
9. Welche Umstände waren ausschlaggebend für die Gründung der Seite „Deutsche Luxusmarken“ in diesem Jahr? Was erhoffen Sie sich für Ihre Seite und Kooperationspartner in den kommenden Jahren?
Wir haben festgestellt, dass es unterschiedliche Organisationen und Interessensverbände gibt, die teilweise miteinander konkurrieren oder in ihrem Profil nicht klar genug bzw. zu eng angelegt sind. Daraus folgt, dass es in Wahrheit keine übergeordnete Institution gibt, die die Entwicklung deutscher Luxusmarken unterstützt bzw. sich für deren positive Entwicklung stark macht. Diese Lücke wollen wir
mit unserem Engagement schließen und das Label „Deutsche Luxusmarken“ als Dachmarke für die hiesigen Luxusgüteranbieter etablieren. Für unsere Kooperationspartner erhoffen wir uns eine stärkere
Wahrnehmung bei potenziellen Konsumenten sowie eine stärkere Identifikation der Marken mit dem Standort Deutschland. Wie bereits gesagt, viele wissen nicht um die Herkunft einzelner Marken.
10. Welche Maßnahmen (Marketing, Vertrieb, Design etc.) sollten deutsche Luxusunternehmen konkret ergreifen, um sich sowohl auf dem Heimatmarkt als auch in Potenzialmärkten künftig erfolgreicher durchzusetzen? Welche Empfehlungen geben Sie dazu deutschen Luxusunternehmen aus Marketingsicht?
Marketing für Luxusgüter ist ein sehr sensibles Thema. Unternehmen müssen die Konsumentensicht mehr in den Vordergrund rücken und sich weniger im Schein ihres Könnens sonnen. Die Nähe zu potenziellen Kunden ist entscheidend und die individuelle Ansprache und der Aufbau von direkten und intensiven Kundenbeziehungen. Versetzen wir uns doch einmal in die Lage eines Kunden, der über ein erhebliches Vermögen verfügt und sein eigenes Konsumverhalten hat. D. h. was, wie, wo und warum konsumiert er gerade diese oder jene Marke? Es kommt eben nicht nur auf die Markenbekanntheit an, sondern auch auf die Markenreputation, ihre Glaubwürdigkeit und das Image. Und nicht zuletzt auch auf die Nähe. Ansonsten lassen sich über das Thema ganze Bücher oder Masterarbeiten schreiben. Gerne beraten wir Unternehmen, die für sich nach Lösungsansätzen suchen.